Landluft - stoff für hundert Hefte

 

Als wir vor fünf Jahren unser erstes Landluft-Heft veröffentlichten, sonnten wir uns im Leserlob. Es kam gut an, dass wir so viele Facetten und faszinierende Menschen des Remstals präsentierten - in opulenten Bildern und lebendigen Texten. Davon beflügelt, planten wir ein Jahr später die zweite Ausgabe. Die Frage war, ob eine überschaubare Region wie das Remstal genug Stoff für weitere 164 Seiten bieten würde. Aber ja! Das tut sie. Wir haben sogar so viele Ideen für Themen, dass wir 100 Hefte produzieren könnten. In dieser fünften Ausgabe wollen wir die verborgenen Vorzüge der Provinz beleuchten. Denn Originalität und Kreativität, Fortschritt und Engagement, Quergeist und Inspiration sind, auch und gerade, außerhalb der großen Städte zuhause.

Man muss sie nur finden, denn manchmal blühen sie im Verborgenen. Wie in dem Dörfchen Großhöchberg, bewohnt von 106 Einwohnern und mindestens doppelt so vielen Schafen, Kühen und Hühnern. Wer genau hinschaut, entdeckt, dass Einheimische und Reingeschmeckte eine bunte Vielfalt bilden - zahlreiche Theateraufführungen, Konzerte und Dichterlesungen das gesamte Jahr über inklusive.

Oder in Berglen-Öschelbronn: keine Kneipe, kein Bäcker, keine Post. Aber ein Abenteuerspielplatz, von dem Großstadtkinder nur träumen können. Ein Bullerbü der besonderen Art, mit lauschigen Ecken und unzähligen Möglichkeiten, die Lust an wilden und artistischen Kletter- und Turnübungen auszuleben. Hier können Kinder etwas tun, das vielerorts irgendwie in Vergessenheit geraten ist: einfach mal der Kontrolle der Erwachsenen entfliehen.

 

 

 

Und auch das ist Provinz: Drei friedensbewegte Jazzliebhaber aus Weinstadt, die noch zu Zeiten des Kalten Krieges die Partnerschaft mit einer Stadt in Polen anbahnten. Miedzychod liegt malerisch mitten im Wald zwischen Sumpf und Seen, ganz anders als das sonnenverwöhnte, von Reben umrankte Weinstadt. Die Jazzleidenschaft schlug die Brücke zwischen den Welten - schon zu Zeiten des Eisernen Vorhangs.

Landluft ist ein Familienbetrieb, da müssen auch die Kinder mit ran. Im letzten Heft war Hannah, die Tochter des Fotografen Uli Reinhardt, mit ihrem Ochsen Oskar auf dem Titel. Diesmal ist meine Tochter Clara gleich mit zwei Geschichten dabei. Mit ihrem Tagebuch über syrische Flüchtlingskinder. Und einer Zeitreise nach Cuba. Schließlich zählt familiäre Nähe zu den Vorzügen der Provinz.

Ein langjähriger Freund unserer Reportage-Agentur Zeitenspiegel ist Vincent Klink, der in dieser Ausgabe zum ersten Mal mit einem Rezept aufwartet. Nicht erschrecken, der Sterne-Koch serviert ein rustikales Arme-Leute-Essen: saure Kutteln. Wem das nicht schmeckt, findet noble Alternativen in einem Beitrag über Vier-Sterne-Restaurants in fünf Kilometern Umkreis. Und im fernen Berlin ein Lokal, das sich tatsächlich "Rems" nennt, obwohl die Inhaberin noch nie im Remstal war.

Wir bieten in dieser Ausgabe ein weiteres Novum: einen historischen Druck der Remsbahn aus einem Reisehandbuch von 1863. Schließlich verhalf sie der Provinz damals zum Anschluss an die große, weite Welt.


Uschi Entenmann

 

 

 

Uschi Entenmann, Chefredakteur des Landluft-Magazins und Autorin bei Zeitenspiegel Reportagen in Weinstadt    FOTO: RAINER KWIOTEK

Uschi Entenmann, Chefredakteur des Landluft-Magazins und Autorin bei Zeitenspiegel Reportagen in Weinstadt    
FOTO: RAINER KWIOTEK

Steht die Sonne tief genug, werfen auch Zwerge lange Schatten.